Warum ein Fernglas?

Zu den Fragen, die Einsteiger in die Astronomie am häufigsten stellen, gehört: „Welches Teleskop soll ich mir kaufen?“ Zumindest auf Volksternwarten lautet die Antwort fast immer: „Haben Sie eigentlich schon ein Fernglas?“

Teleskop und Fernglas stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich ideal.
Teleskop und Fernglas stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich ideal.

Obwohl Ferngläser günstig und weit verbreitet sind, denken nur wenige Laien daran, mit ihnen auch in den Himmel zu sehen. Stattdessen sind die meisten auf ein möglichst großes Teleskop fixiert – und erwarten von diesen teuren Geräten dann auch wahre Wunder. Der Blick durch das Teleskop soll mindestens so schöne Einblicke in das Universum gewähren wie die Hochglanzfotos, die wir aus Astrozeitungen und Bildbänden kennen. Allerdings sind diese Bilder das Ergebnis von Langzeitbelichtungen, die sich zum Teil über mehrere Stunden hinzogen und mit einer Ausrüstung entstanden, die oft im fünfstelligen Eurobereich liegt. Das Auge kann jedoch nur etwa eine zwanzigstel Sekunde lang Licht sammeln. Auch in den größten Teleskopen ist es daher fast unmöglich, Farben zu sehen. Um so größer ist dann die Enttäuschung beim ersten Blick durch ein Teleskop – selbst die Paradeobjekte, die erfahrene Beobachter als auffällig und detailreich empfinden, sind für Anfänger in der Regel nur schwache Nebelflecken. Beobachten ist jedoch eine Kunst, die man erst im Lauf der Zeit erlernt – Übung macht den Meister. Wenn der erste Blick dann noch durch ein billiges Kaufhausteleskop mit einer wackligen Montierung fällt, das bei höchster Vergrößerung ein fast schwarzes Bild zeigt, wandert das Gerät meist sehr schnell auf den Dachboden. Aber auch erstklassige und entsprechend teure Teleskope, die vielleicht sogar eine Computersteuerung besitzen, sind nicht unbedingt ideal für Anfänger. Auch in diesen Geräten sind viele Objekte alles andere als auffällig, selbst wenn das Teleskop sie fehlerfrei anfährt. Falls Sie sich ganz auf den Computer verlassen und nicht wissen, wo was am Himmel ist, können Sie nur schwer nachvollziehen, ob Sie wirklich das gewünschte Objekt im Bildfeld haben – oder ob es sich gerade außerhalb des recht kleinen Gesichtsfeldes befindet.

Die meisten Kometen sind unauffällige, aber ausgedehnte Objekte, die am besten im Fernglas wirken – hier der Komet Neat (C/2001 Q4) am 19. Mai 2004.
Die meisten Kometen sind unauffällige, aber ausgedehnte Objekte, die am besten im Fernglas wirken – hier der Komet Neat (C/2001 Q4) am 19. Mai 2004.

Das kleine Gesichtsfeld ist der größte Nachteil vieler Teleskope: Einige der schönsten Objekte – sei es unsere Nachbargalaxie (der berühmte Andromedanebel M31), ein prächtiger Sternhaufen wie die Plejaden, ein Gasnebel wie der Nordamerikanebel oder auch ein heller Komet – sind einfach zu ausgedehnt, um in einem Teleskop vollständig sichtbar zu sein. Wenn Sie dann noch den Fehler machen, hoch zu vergrößern, werden sie vollkommen unbeobachtbar: durch die hohe Vergrößerung wird das Bild wieder dunkler, und der große Vorteil des Teleskopes – seine Möglichkeit, mehr Licht zu sammeln als das bloße Auge – geht verloren. Daher wird bei Teleskopen häufig nur mit geringer Vergrößerung gearbeitet, was außerdem die Bildfehler reduziert. Dazu zählen Abbildungsfehler der Optik, aber zum Beispiel auch die Störungen in der Atmosphäre, die für das Funkeln der Sterne verantwortlich sind. Diese Luftunruhe wird ebenfalls mitvergrößert, sodass in schlechten Nächten die Sterne bei hoher Vergrößerung wild durch das Gesichtsfeld springen.

Um das Potential eines Teleskops wirklich ausnutzen zu können, müssen Sie sich nicht nur etwas am Himmel auskennen, sondern auch ein wenig über die Eigenheiten des jeweiligen Gerätes wissen. Mit vielen verschiedenen Zubehörteilen können Sie nicht nur Leistungsfähigkeit des Geräts, sondern auch die Kosten extrem steigern – was dabei sein Geld wert ist, offenbart sich meist erst im direkten Vergleich.

Der größte Nachteil eines Teleskopes ist aber seine Größe: Ein gutes Teleskop verteilt sich leicht auf drei große Kisten (jeweils eine für Teleskop, Montierung und Stativ) sowie einen Koffer für Okulare und Zubehörteile. Das alles muss erst einmal an den Beobachtungsort gelangen.

Ein Fernglas mit Stativ können Sie dagegen leicht alleine tragen oder ständig im Auto aufbewahren.

Eine Mondfinsternis kann man bereits mit bloßem Auge leicht verfolgen, im Fernglas lassen sich mehr Details erkennen.
Eine Mondfinsternis kann man bereits mit bloßem Auge leicht verfolgen, im Fernglas lassen sich mehr Details erkennen.

Ein gutes Fernglas hat daher nicht nur für den Einsteiger viele Vorteile, sondern ist auch bei Profis beliebt.

  • Gerade für den Einsteiger ist der Preis natürlich nicht zu vernachlässigen: Ein gutes Einsteigerfernglas ist bereits für deutlich unter 200 Euro zu erhalten, und der Gebrauchtmarkt bietet noch deutlich günstigere Angebote an, die keineswegs schlechter sein müssen als ein Neugerät.
  • Ein Fernglas arbeitet immer etwa mit der Optimalvergrößerung des Gerätes. Bei einem gängigen Fernglas ist das Lichtbündel, das das Okular verlässt, etwa vier bis sieben Millimeter dick – also so groß wie die Öffnung ihrer Pupille. Dadurch geht kein Licht verloren, das nur die Iris Ihres Auges beleuchten würde.
  • Sie beobachten mit beiden Augen, bekommen also für das selbe Geld zwei Teleskope. Das ermöglicht nicht nur entspannteres Sehen, sondern Sie nehmen auch wirklich mehr wahr als mit einäugigem Sehen.
  • Es ist transportabel. Viele Beobachtungsnächte sind schon daran gescheitert, dass das vorhandene Teleskop zu groß und unhandlich war, um es zu benutzen. Ein Fernglas können Sie selbst mit einem passenden Stativ noch bequem alleine tragen und auch jederzeit zum Beispiel im Auto aufbewahren.
  • Ein Feldstecher hat ein großes Gesichtsfeld. Dadurch wird die Orientierung am Himmel ungemein erleichtert. Außerdem ist das die beste Methode, um den Himmel kennenzulernen. Viele Objekte sind außerdem erst mit einem großem Gesichtsfeld überhaupt zu beobachten.
  • Ein Fernglas liefert ein aufrechtes Bild, kann also auch für normale Naturbeobachtungen eingesetzt werden – sei es im Urlaub oder falls Sie feststellen, dass die Astronomie doch nicht das richtige Hobby ist.
  • Die Technik ist pflegeleicht: Auch ein einfaches Teleskop ist ein Präzisionsinstrument, das – vor allem bei Spiegelteleskopen – regelmäßig gewartet und justiert werden muss. Computergesteuerte Go-To-Teleskope erleichtern oft nur vordergründig das Beobachten, die Technik dahinter bereitet häufig mehr Probleme, als sie letztlich löst. Auch praktisch wartungsfreie Linsenteleskope haben ihre Tücken – sie ermöglichen den Einsatz von durchaus sinnvollen Zusatzgeräten, sodass man ein Vermögen in Okulare und Filter investieren kann. Mit einem Fernglas, einem Stativ und dem passenden Adapter haben Sie in der Regel alles, nötige – viel mehr Zubehör lässt sich allerdings auch nicht einsetzen. Nur bei wenigen, eher hochpreisigen Geräten gibt es Nebelfilter, die zum Teil sogar einschwenkbar sind. Die Schutzfilter für die Sonnenbeobachtung können Sie bei Bedarf leicht selbst herstellen, ohne viel Geld zu investieren.

Nicht nur aus diesen Gründen wissen auch erfahrene Amateurastronomen das Fernglas durchaus zu schätzen – das Vorurteil „nur ein Fernglas“ trifft also keineswegs zu.

Verschiedene Fernglastypen: Liegend zwei Porro-Großferngläser (16x70 und 25x100) mit amerikanischem Gehäuse, links stehend ein 15x70 mit deutschem Gehäuse. Hinten in der Mitte kleinere Geräte mit Porro- (stehend) und Dachkantprismen, die sowohl für die Himmels- als auch die Erdbeobachtung geeignet sind. Die Ferngläser vorne rechts sind für die Astronomie zu klein.
Verschiedene Fernglastypen: Liegend zwei Porro-Großferngläser (16×70 und 25×100) mit amerikanischem Gehäuse, links stehend ein 15×70 mit deutschem Gehäuse. Hinten in der Mitte kleinere Geräte mit Porro- (stehend) und Dachkantprismen, die sowohl für die Himmels- als auch die Erdbeobachtung geeignet sind. Die Ferngläser vorne rechts sind für die Astronomie zu klein.

Natürlich haben beide Geräte ihre eigenen Einsatzgebiete – ein Fernglas ist für die Beobachtung von engen Doppelsternen, Planeten oder lichtschwachen Objekten ungeeignet, ebenso wie ein Teleskop nur bedingt für Kometen, große Sternhaufen und den schnellen Blick an den Himmel geeignet ist. Trotzdem ergänzen sich die beiden, statt miteinander in Konkurrenz zu stehen. Und trotz all der imposanten großen Teleskope, die mittlerweile auch im Amateurbereich zu finden sind, darf man eines nicht vergessen: Galileo Galilei hatte mit weit schlechteren Optiken gearbeitet, als sie heute selbst in den billigsten Ferngläsern und Teleskopen verwendet werden. Trotzdem konnte er das Weltbild verändern. Tycho Brahe, dessen genaue Beobachtungen die Daten für Nicolaus Kopernikus‘ Theorie unseres modernen heliozentrischen Weltbildes lieferten, beobachtete bis zu seinem Tod sogar völlig ohne optische Hilfsmittel.

Bereits mit einem Fernglas können Sie also einige der wichtigsten Beobachtungen am Himmel wiederholen. Der größte Reiz bei der Beobachtung liegt aber darin, die Dinge selbst zu sehen. Es kommt darauf an, zu wissen, was man sieht – wer einfach nur bunte Bilder sucht, ist mit einem Bildband besser bedient. Das Wissen um die kleinen Nebelflecken und Sterngruppen, die man im Fernglas sieht, hat eine eigene Faszination. Ein Nebel oder ein kleiner Stern können langweilig wirken – wenn man sich aber vor Augen hält, dass man hier einen Stern sieht, der hundertmal größer ist als die Sonne, oder dass der Nebel die Leiche eines Sterns oder eine Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie mit hundert Milliarden Sonnen ist, gewinnen die Dinge eine völlig neue Dimension.

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